Unsere Haltung zur Flüchtlingsfrage (Update)

Wer kann einreisen?
Wer einem hilfesuchenden Menschen nicht die Tür öffnet, ignoriert damit ethische Regeln, die so alt sind wie unsere Zivilisation. Dabei spielt es keine Rolle, warum jemand Hilfe braucht. Man sollte  bedenken, dass niemand ohne schwerwiegende Gründe seine Heimat verlässt und Not und Gefahr auf sich nimmt. Deshalb ist die Unterscheidung der Flüchtenden in aus politischen Gründen am Leben Bedrohte und Wirtschaftsflüchtlinge, also möglicherweise durch extreme Armut oder gar vom Hungertod Bedrohte erst einmal an sich unmenschlich (inhuman). Die Einreise darf deshalb zunächst niemand verweigert werden. Da das deutsche Asylrecht nun aber tatsächlich nur politisch Verfolgten Asyl gewährt, muss später geprüft werden, ob Asyl gewährt werden kann, es andere Möglichkeiten für ein Bleiberecht oder einen dauerhaften Aufenthalt gibt, oder der Schutzsuchende wieder fort geschickt wird.
Viele arme Menschen in armen Ländern haben ein verzerrtes Bild vom Leben in den westlichen Industrieländern. Sie können sich nicht vorstellen, dass sie bei uns wahrscheinlich auch in 10 Jahren noch arm und von Abschiebung bedroht sein werden, wie es bei vielen Flüchtlingen aus und nach dem Balkankrieg der Fall ist. So machen sich auch Menschen auf den Weg zu uns, deren Leib und Leben nicht direkt bedroht ist. Erst wenn gewährleistet ist, dass die sogenannten „sicheren Herkunftsländer“ nach rein humanitären, nicht wie derzeit und sehr wahrscheinlich auch zukünftig nur nach politischen Gesichtspunkten definiert werden, kann daran gedacht werden, Menschen auch wieder in ihre Herkunftsländer zurück zu führen.

Kann die Zuwanderung begrenzt werden?
Menschen flüchten vor Krieg, Verfolgung, Naturkatastrophen und Hunger. Das würde jeder von uns auch tun.
Um die Zahl der flüchtenden Menschen zu verringern oder wenigstens zu begrenzen, müssen diese Ursachen bekämpft werden, nicht die Menschen. Logisch, oder? Und dazu könnte unser Land auch durchaus einen Beitrag leisten: die oben genannten Fluchtursachen verstärkt Deutschland bisher kräftig durch Waffenlieferungen, Unterstützung korrupter und diktatorischer Regierungen, Klimawandel und ungerechte Handelsbeziehungen. Die Gründe dafür sind Profitgier und „geostrategische Überlegungen“ zur Absicherung der guten Geschäfte.
Es ist an uns, darauf zu dringen, dass unser Land seinen Teil zum Abbau von Fluchtursachen beiträgt!.
Um kurzfristig Menschen zu retten und Flucht nicht im Chaos enden zu lassen, sollte man in Syrien (oder wo auch immer das angebracht ist) Sicherheitszonen einrichten, die von der UN garantiert und finanziert werden. Dafür ist es erforderlich, dass Deutschland und andere Staaten ihre finanziellen Zusagen gegenüber der UN auch einhalten. Das wäre humaner und auch nicht teurer als z. B. die Bezahlung der Türkei als Gefängniswärter und Grenzwächter Europas.

Wie sollten Flüchtlinge versorgt werden?
Deutschland ist ein reiches Land und kann auch mehr als eine Million Menschen zusätzlich mit Essen, Kleidung, Gesundheit und Bildung versorgen. Problematisch ist die Unterbringung, zumindest in Ballungsräumen wie Stuttgart.
Wir sind strikt dagegen, neue Baugebiete auszuweisen, denn es gibt genügend andere Möglichkeiten, teils dauerhafte, teils vorübergehende Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen:
In Vaihingen gibt es zahlreiche Gebäude mit ganz oder teilweise leerstehenden Büroflächen. Es spricht nichts dagegen, solche Flächen in Wohnflächen umzuwandeln. Der umgekehrte Weg wurde und wird oft begangen und ist mit Sicherheit nicht unumkehrbar!
Eine besondere Rolle nimmt hier das Eiermannareal ein. Pläne zur Einrichtung einer Landeserstaufnahmestelle (LEA) dort wurden aus Kostengründen verworfen. Über diese Kosten (ca. 400 Mio €) oder weitere Gründe (Investorengeraune) wurden wir Vaihinger aber nicht genauer informiert. Es lohnt sich allemal, über das Eiermannareal nachzudenken, wobei man bedenken sollte, dass es aufgrund der nahen Autobahn und der peripheren Lage kaum für dauerhafte Wohnzwecke geeignet ist.
Sehr genial wäre es, wenn die US-Armee ihr EUCOM hier in Vaihingen (und auch das AFRICOM in Möhringen) räumen würde: es gäbe auf einen Schlag genügend Wohnraum für Flüchtlinge und Nicht-Flüchtlinge und gleichzeitig müssten wir nicht mehr mit der Tatsache leben, dass aus unserer Heimat der völkerrechtswidrige Drohnenkrieg der USA gesteuert wird, der natürlich auch zu den Fluchtursachen beiträgt.
Schließlich halten wir es auch für akzeptabel, auf Parkplätzen und Brachflächen für eine begrenzte Zeit Wohncontainer aufzustellen.
Es gibt – zumindest bisher – Missstände bei der Unterbringung, die unbedingt beseitigt werden müssen. Dazu gehört zuerst, dass es nicht überall getrennte Sanitärbereiche für Frauen und Männer gibt. Das ist unabhängig von jedem kulturellen Hintergrund ein Unding.
Außerdem gibt es gelegentlich Berichte von Konflikten in großen Hallen, z. B. an der Messe. Was würde wohl passieren, wenn wir mehrere Hundert junge Deutsche in eine Riesenhalle ohne Trennwände, ohne Privatsphäre (dafür vielleicht mit Kriegstraumata und Zukunftsangst) stecken würden? Eben! Zu einer menschengerechten Unterbringung gehören also auch ausreichende Rückzugs- und Ausweichmöglichkeiten.

Was erwarten wir von den Menschen die bei uns Zuflucht suchen?
Alle sollten sich an die grundlegenden Regeln bei uns halten. Eines der größten Probleme in diesem Zusammenhang ist die teilweise unterschiedliche Auffassung über das Verhältnis zwischen Frauen und Männern. Hier führt kein Weg daran vorbei, den männlichen Flüchtlingen deutlich zu machen, dass sie bei uns allen Frauen mit Achtung und Respekt begegnen müssen. Insbesondere darf es weder inner- noch außerhalb von Flüchtlingsunterkünften zu sexuellen Übergriffen oder gar Gewalt kommen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass Einzelfälle von Übertritten unserer Regeln und Gesetze nicht verallgemeinert werden. Es gibt keine Belege dafür, dass Flüchtlinge trotz der teils extrem schwierigen Bedingungen mehr Straftaten begehen als deutsche – insbesondere, wenn man die Verstöße gegen die Residenzpflicht nicht berücksichtigt.
Wer Straftaten begeht, ob Deutscher oder anderer Herkunft, muss sich dafür vor Gericht verantworten und gegebenenfalls bestraft werden.

Wer kann bleiben, wer muss gehen?
Diese Frage wird im Asylverfahren geklärt, das theoretisch in erster Linie die Gefahr für Leib und Leben im Heimatland beurteilt. Bekanntlich gibt es hier einen riesigen Antragsstau. Wenn jemand zu lange auf sein Verfahren warten muss, kann unter Umständen eine Duldung eintreten, die irgendwann in eine Aufenthaltserlaubnis mündet. Für solche Verfahrensschritte spielen dann auch andere Gesichtspunkte eine Rolle: wie gut ist die Ausbildung, wie groß die Bereitschaft und Chance zur Integration usw. Hier (und vielleicht doch auch im Asylverfahren?) wird also gefragt, wie nützlich für unsere Gesellschaft jemand als neuer Mitbürger sein könnte. Was unserer Gesellschaft nützt, definiert bekanntlich die Wirtschaft. So sprechen Wirtschaftsvertreter durchaus fremdenfreundlich von der Chance, mit den Neuankömmlingen die demographischen Probleme und den Facharbeitermangel Deutschlands zu entschärfen und das Wirtschaftswachstum endlich mal wieder richtig anzukurbeln. Zufälligerweise kommt dann recht bald auch die Diskussion über den Mindestlohn wieder hoch. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, und das gilt auch für Arbeitskräfte.
Mit dem Versuch, Flüchtlinge und Lohnabhängige auf dem Arbeitsmarkt (und in der Politik!) gegeneinander auszuspielen, sind wir nicht einverstanden. Die tatsächlichen Interessensgegensätze bestehen zwischen denen die versuchen, ihre Profite immer weiter zu steigern einerseits (also auch Arbeitskräfte möglichst günstig einkaufen wollen) und denen, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um genug zum Leben zu haben. Demzufolge stehen Flüchtlinge und Arbeitnehmer mit deutschem Pass auf derselben Seite und haben objektiv dieselben Interessen und denselben Gegner, der sich über jede Spaltung ins Fäustchen lacht (Festangestellte gegen Leiharbeiter – gegen Arbeitslose – gegen Flüchtlinge).Die Idee, sich die „besten“ Flüchtlinge herauszupicken ist nicht nur gegenüber unseren sozial Benachteiligten inhuman, sondern auch gegenüber den Heimatländern der Flüchtlinge. Denn diese brauchen gerade die Jungen und/oder gut Ausgebildeten, wenn all die Kriege und Verfolgungen hoffentlich doch irgendwann zu Ende gehen.
Wir plädieren deshalb dafür, spätestens alle 2 Jahre zu überprüfen, ob sich die Situation in den Herkunftsländern möglicherweise so verändert hat, dass die Flüchtlinge dorthin zurückkehren können. Dabei müssen natürlich ihre Lebensumstände berücksichtigt werden, wie Familienverhältnisse, Gesundheitszustand oder begonnene Ausbildungen.

Wie sollten unsere neuen Mitbürger in unsere Gesellschaft aufgenommen werden?
Wir erinnern uns an die Ankunft der in den 60er und 70er Jahren angeworbenen Arbeitskräfte vor allem aus Italien, später auch der Türkei, Portugal und Spanien. Sie wurden in den Fabriken gebraucht, aber für ihre Aufnahme in die Gesellschaft wurde nichts getan. So dauerte es mehr als eine Generation, bis heute wenigstens ihre Kinder Teil unserer Gesellschaft geworden sind. Integration bedeutet für uns dabei ein aufeinander zu gehen und auch voneinander zu lernen und nicht einseitige An- und Einpassung.
Die öffentliche Diskussion und zahlreiche ehrenamtliche Initiativen zielen darauf ab, das diesmal besser zu machen. Der erste Hebel ist Bildung. Sprachunterricht für alle, gute Verteilung der Kinder und Jugendlichen auf Kindergärten und Schulen sowie berufliche Aus- und Fortbildung sind wichtig, aber auch das Vermitteln unserer Geschichte und Kultur. Jeder, der hier leben will, soll die Chance haben, in absehbarer Zeit in vollem Umfang an unserem Leben teilzuhaben und nicht in Armut, Hoffnungslosigkeit und Ghettobildung stecken zu bleiben. Das alles kostet Geld, das aber hier sicher gut investiert ist. Allerdings verlässt der Staat sich auch hier in weiten Teilen auf ehrenamtliches Engagement von BürgerInnen, ohne die das alles wohl nicht zu schaffen wäre.

Es gibt viele weitergehende Ideen zur Integration. Eine sei hier angerissen:
Wie wäre es, in einer dünn besiedelten Gegend eine Art ökologischer Musterregion zu etablieren? Auf der Basis von weitgehender Selbstversorgung und Nachhaltigkeit könnte dort eine Blaupause künftiger Lebens- und Wirtschaftsformen entstehen, die nicht auf Globalisierung und Ausbeutung der Natur und der Dritten Welt basieren. Es müsste eine ausreichende Anschubfinanzierung geben und die Teilnahme von Flüchtlingen und Deutschen müsste natürlich freiwillig sein. So ein Projekt hätte einen utopischen Charakter. Möglicherweise ist aber der Zeitpunkt für utopisches Denken jenseits des „Machbaren“ genau jetzt.

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