Vaihinger Platz da! – Picknick auf der Robert-Leicht-Straße: Rede und Impressionen

Rede von Gerhard Wick am 21.9.2019

Ich will gleich mal so fragen:
Kennt jemand jemand, der nicht über das hohe Autoverkehrsaufkommen in Vaihingen klagt?
Die Klagen haben allerdings unterschiedliche Gründe.

 

 

Die einen stört der starke Autoverkehr wegen:

  • Der hohen Co 2 – und Schadstoffemissionen und den daraus folgenden
    Gefahren für Gesundheit und Klima
  • der Einschränkung für Fußgänger und Radfahrer mit langen Wartezeiten
    an den Überwegen
  • der Behinderung von öffentlichen Verkehrsmitteln (Busse).
  • der Inanspruchnahme und Versiegelung öffentlicher Flächen allein für
    das Auto.

Andere wiederum klagen, weil sie selbst mit ihrem eigenen Auto nicht schnell genug vorankommen, zu oft im Stau stehen, also weil das, was sie machen auch alle anderen machen, nämlich Auto fahren.

Und wenn wir ehrlich sind, gehören gar nicht Wenige beiden Gruppen an.  Tatsache ist: der Autoverkehr im Stadtbezirk hat in den letzten 10 Jahren stetig zugenommen.

Und hat inzwischen für Viele unerträgliche Ausmaße erreicht.

Trotzdem ist ein Ende der Verkehrszunahme nicht in Sicht.

Warum?

Vaihingen hat zahlreiche Gewerbegebiete. Darunter das Größte der Stadt überhaupt.

Mit jeder neuen Ansiedlung von Betrieben wächst die Zahl der Pendler und damit auch das Autoverkehrsaufkommen.

Um 20.000 Arbeitsplätze soll allein das Gewerbegebiet Wallgraben bis in drei Jahren ausgeweitet werden. Weitere 6.000 Menschen sollen auf dem Eiermann-Campus dazu kommen.

Ein großer Teil der Verkehrsmassen, die durch Vaihingen rauschen, kommt von außerhalb Stuttgarts. Viele Beschäftigten der großen Gewerbegebiete Vaihingens reisen jeden Tag von weit her an. Man muss nur einmal die Nummernschilder, der in den Wohnstraßen am Rande der Gewerbegebiete parkenden PkWs anschauen: Ulm, Karlsruhe, Villingen, Sigmaringen, Tuttlingen,
Rottweil. Pforzheim usw.

Und nach wie vor sind es 75%, die mit dem PkW zur Arbeit zu kommen.

Angesichts dieser Zahlen fordern immer mehr Menschen, fordern wir, eine Verkehrswende.

Auch der Vaihinger Bezirksbeirat verlangt seit Jahren völlig zurecht bei jeder Neuplanung in Vaihingen: Erst eine machbare Lösung für eine Verkehrsreduzierung!

Was passiert mit diesen Forderungen?

Jahr um Jahr erklären Bau- und Oberbürgermeister, ihre Verkehrsplaner würden zeitnah eine Lösung erarbeiten.

Jahr um Jahr schreiten die geplanten Bauvorhaben zügig voran, aber die versprochenen Verkehrslösungen bleiben aus.

Dabei hapert es noch nicht einmal am Geld.

2 Millionen Euro wurden der Verwaltung zuletzt bewilligt, um eine Lösung zu erarbeiten.

Es fehlt viel eher am Willen, dem Auto seine seit Jahrzehnten unbestrittene Vormachtstellung zu nehmen.

Entsprechend lesen sich die aktuellen Lösungsvorschläge der Verkehrsplaner vor allem als Eingeständnis, dass eine Reduzierung des Autoverkehrs in Vaihingen nicht möglich sei.

Und ihre Lösungsvorschläge beschränken sich auf: Noch breitere Straßen und noch größere Kreuzungen für noch mehr Autos

Damit folgt die Stadt einem Paradigma, dass bereits seit den 1980er Jahren als unbestrittener Königsweg gepriesen wird und noch kein einziges Mal funktioniert hat.

Keine der zahlreichen, mit großem Aufwand, viel Geld und enormen Einschnitten in die Natur gebauten Umgehungsstraßen, haben zu der immer wieder auf’s Neue versprochenen Reduzierung des Verkehrs im Stadtbezirk geführt.

Im Gegenteil: Der innerörtliche Autoverkehr hat weiter massiv zugenommen.

Dazu kann ich nur sagen: „Wahnsinn ist, wenn man immer wieder das Gleiche tut, aber jedes Mal andere Resultate erwartet.“

Was ist der Grund für die nicht stattfindende Verkehrsentlastung des Ortes trotz Umgehungsstraßen, über die alle Gewerbegebiete Vaihingens ohne Ortsdurchfahrt von außen erreichbar sind? Warum sind die paradiesischen Zustände, die OB Rommel bei der Einweihung der Ostumfahrung angekündigt hat, nicht eingetreten?

Warum fährt immer noch ein beträchtlicher Teil der Pendler mitten durch den Ort?

Die Antwort lautet: Der mit den Umfahrungsstraßen beschlossene und auch finanzierte Rückbau der innerörtlichen Durchgangsstraßen wurde nicht oder nur zu einem kleinen Teil umgesetzt.

Jetzt gibt es nicht wenige, die meinen, die Probleme seien mit Elektroautos und autonomem Fahren zu lösen.

Ein fataler Irrtum.

Allein bei der Akku-Produktion entsteht so viel CO 2 , dass ein Elektro-SUV erst nach 8 – 10 Jahren Fahrzeit eine bessere CO 2 Bilanz aufweist, als ein Diesel oder Benziner.

Der millionenfache Einsatz von Elektrofahrzeugen zumal in Verbindung mit autonomem Fahren und Smart-Cities wird den Stromverbrauch so in die Höhe treiben, dass er niemals allein aus regenerativer Energie abgedeckt werden kann.

Und auch ein Elektroauto fährt auf Straßen, auch ein Elektroauto braucht viel Platz.

Verkehrswende aber kann nicht heißen: noch mehr Straßen, noch mehr Autos, egal welche.

Die Mobilität muss vielmehr auf öffentliche Verkehrsmittel und das Fahrrad verlagert werden.

Um zu einer solchen echten Verkehrswende zu kommen, ist

  • eine weit über Stuttgart und Vaihingen hinausgehende andere
    Verkehrspolitik,
  • eine andere Stadtplanung notwendig
  • sind landes- und bundesweite Maßnahmen erforderlich.

Wir müssen weg von der Konzentration von Arbeitsstätten in den großen Städten und bezahlbare Wohnungen auf dem Land.

Wir brauchen einen massiven Ausbau der Regionalverbindungen der Bahn und eine deutliche Verbesserung des Angebots öffentlicher Verkehrsmittel auf dem Land.

Solange aber können wir nicht warten. Wir brauchen auch kurzfristig umsetzbare Maßnahmen für eine Verkehrsberuhigung im Stadtbezirk.

Und es gibt Lösungen! Doch die müssen gewollt werden. Wir schlagen vor:

  • Das Zusammenfügen des Vaihinger Ortskerns ohne für Fußgänger schwer
    zu überwindende Durchgangsstraßen
  • Die Umwandlung der großen Verkehrsadern in Vaihingen in Multiflächen
    bzw. Shared Spaces mit Gleichberechtigung für Fußgängerinnen und
    Fußgänger, Fahrräder und Autos
  • Die Umwandlung weiterer Straßen zu Fahrradstraßen, auf denen auch
    Autos fahren dürfen, aber keinen Vorrang mehr haben
  • Geschwindigkeitsbegrenzung auf 20 km/h auf den Multiflächen und 30
    km/h im gesamten Stadtbezirk.

Das Auto ist unbestritten das bequemste Verkehrsmittel im innerstädtischen Verkehr.

Es ist aber auch

  • Das Verkehrsmittel mit den größten Negativfolgen für Gesundheit, Umwelt und Klima
  • Das Verkehrsmittel mit dem höchsten Platzbedarf
  • das Verkehrsmittel mit den höchsten Voraussetzungs- und Folgekosten für die Allgemeinheit
  • Mit den gravierendsten negativen Auswirkungen auf das Stadtbild
  • Das Verkehrsmittel mit dem höchsten Gefahrenpotential

Das bequemste aber zugleich schädlichste Verkehrsmittel muss innerorts nicht auch noch das Schnellste sein.

Was gewinnen wir durch solche den Autoverkehr beschränkende Maßnahmen?

  • Der öffentliche Raum wird wieder zu Plätzen des urbanen, gesellschaftlichen Lebens.
  • Die Ortsmitte wäre nicht mehr durch breite Durchgangsstraßen viergeteilt und würde wieder ihren Namen als Zentrum verdienen – Momentan hat die Vaihinger Mitte ja eher den Charakter einer großen Autobahnraststätte.
  • Wir gewinnen: Lebendige Plätze statt großen Kreuzungen
  • und eine deutlich bessere Luft

Verlieren tun wir höchstens ein paar Minuten Zeit beim Einkaufen mit dem Auto.

Nicht nur wegen des fortschreitenden Klimawandels braucht es:

Eine echte Verkehrswende!

Wir müssen: Weg vom Auto mindestens in den Städten!

Das ist das mittelfristige Ziel.

Was wir sofort machen können:

Räumen wir endlich denen, die sich umweltfreundlich, klimaschonend und gesund fortbewegen, wenigstens Vorrang ein!