Anfang April hatten wir hier einen Brief an die Verantwortlichen, die die denkmalgeschützte Panzerstraße zu einen Radschnellweg machen wollen veröffentlicht.
In der Zwischenzeit hat sich ein Vaihinger auch an Verkehrsminister Herrmann gewendet. Dieses Schreiben sowie die Antwort des Referenten von Minister Herrmann und die Antwort auf die Antwort veröffentlichen wir hier:
Sehr geehrter Herr Herrmann,
es ist zu begrüßen, dass Sie gestern nach Vaihingen gekommen sind, um dort über Probleme und Perspektiven der Mobilität zu sprechen bzw. zu diskutieren, und der Zuspruch durch v.a. junges Publikum war ja beachtlich.
Ich hatte vorgesehen, dort auch ein aktuelles und lokales Problem anzusprechen – den Ausbau der Verbindung Böblingen – Vaihingen zu einem ‚Radschnellweg‘. Da aber Radverkehr an diesem Abend nicht zu den vorgesehenen Themen gehörte, habe ich darauf verzichtet. Vermutlich war das ein Fehler.
Ich hatte mich mit einer entsprechenden Stellungnahme (s. Anlage) schon ab 2. April an die Stellen bzw. Amtsträger gewandt, die dafür zuständig sein konnten, natürlich auch direkt an Ihr Ministerium. Ich erhielt u.a. vom Landratsamt Böblingen, vom Regierungspräsidium und schließlich auch von Ihrem Ministerium z.T. ausführliche und inhaltlich weitgehend übereinstimmende Mitteilungen über das Beschlussverfahren und den Stand der Planungen. Aber so gut wie nirgends wurde das Zentralproblem angesprochen: Eine gut ausgebaute, hervorragend erhaltene Pflasterstraße, die auch im gegenwärtigen Zustand von Radfahrern (neben Spaziergängern, Joggern ..) hoch frequentiert wird, ein zu Recht denkmalgeschütztes Bauwerk, soll mit Asphalt zugeschmiert werden, damit man möglichst bald ein Prestigeobjekt des Projekts Radschnellwege vorzeigen kann (während und gerade weil abzusehen ist, dass man auf andere Abschnitte noch lange wird warten müssen) . Schon die Zuführungen von Böblingen und Sindelfingen her sind problematisch, die Weiterführung auf Stuttgarter Gemarkung ungeklärt, eine kilometerlange beleuchtete Schneise durch den Wald . . . Dafür werden über 3 Mio. € ausgegeben, die an anderer Stelle für die Förderung des Radverkehrs viel sinnvoller zu verwenden wären. Eine Kulturschande u n d ein Schildbürgerstreich!
Ich bitte um eine persönliche Stellungnahme.
Mit freundlichen Grüßen
…
Stuttgart-Vaihingen
PS. Ihr Bürgerreferent, Herr Krenz, hat seine Mitteilung mit dem Hinweis eingeleitet, mein Schreiben an Minister Hauk sei dem Verkehrsministerium zugeleitet worden. Ich hatte mich aber schon am 02.04. direkt an Ihr Ministerium gewandt. Rückmeldung von Frau Greiner: „bin nicht im Haus“.
Konnte das damals nicht weiter bearbeitet werden?
Sehr geehrter Herr …,Minister Hermann bedankt sich für Ihr Schreiben und hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.
Da Sie bereits von Herrn Krenz aus dem Ministerium am 20.4. eine Stellungnahme erhalten haben, will ich mich auf das von Ihnen so genannte „Zentralproblem“ konzentrieren.
Grundsätzlich schätzt Minister Hermann Ihren Einsatz für den Dankmalschutz, gibt jedoch im Konflikt zwischen diesem und dem Ausbau eines ökologischen Verkehrswegs dem Radschnellweg den Vorrang.
Für die wachsende Zahl von zur Arbeit fahrenden Fahrrad-Pendlern macht es einen großen Unterschied, ob der Untergrund aus holprigen Pflastersteinen oder einer asphaltierten Fläche besteht. Für diese Menschen wäre es im Gegensatz zu Ihnen daher ein „Zentralproblem“, wenn die Strecke NICHT asphaltiert wäre. Bei Regen und Nässe besteht auf der Pflaster-Oberfläche zudem hohe Rutschgefahr, weshalb es verstärkt zu Unfällen kommen kann. Schon aus Sicherheitsgründen sollte daher die Panzerstraße eine andere Fahrbahnoberfläche erhalten.
Im Konflikt zwischen Denkmalschutz und dem Nutzen für eine größere Allgemeinheit, sieht der Minister den größeren Nutzen eindeutig aufseiten der Berufspendler. Damit Menschen vom Auto auf das Fahrrad umsteigen und somit Mensch und Umwelt entlasten, müssen Radschnellwege attraktiv sein. Von einem Prestige-Objekt kann folglich überhaupt keine Rede sein. Dem Denkmalschutz wird ansonsten dadurch Rechnung getragen, dass auf der Strecke Sichtfenster eingelassen werden, damit der alte Charakter der Straße erkennbar bleibt.
Die weiteren Abschnitte der Strecke sind auch keineswegs ungeklärt, sondern werden mit dem Ziel der Realisierung auf beiden Seiten in Machbarkeitsstudien untersucht. Die kilometerlange Schneise durch den Wald existiert ja in Form der Straße bereits heute. Und warum sollten Radschnellwege nicht beleuchtet werden, wenn dies bei Autostraßen durch den Wald seit Jahr und Tag so ist?
Nach Ansicht des Ministeriums stellen daher die Millionen für das Projekt weder eine Kulturschande noch einen Schildbürgerstreich dar. Vielmehr handelt es sich um eine sinnvolle Investition zugunsten eines umweltfreundlichen Verkehrswegs.
Ich hoffe, wir konnten Ihnen mit unseren Ausführungen weiterhelfen und verbleiben
mit freundlichen Grüße
Nikolaus Tschenk
Sehr geehrter Herr Tschenk,
ich weiß zu schätzen, dass wenigstens Sie versuchen, auf die in meiner Stellungnahme enthaltenen Fakten und Argumente einzugehen. Von anderer Seite (Ministerium, Reg.präs., Landrat …) erhielt ich nur überwiegend z.T. textgleiche Mitteilungen über die Projektplanung und den Entscheidungsablauf. Ich hoffe, dass es der Verständigung dient, wenn ich der Reihe nach auf Ihre Aussagen eingehe. „Für … Fahrrad-Pendler macht es einen großen Unterschied, ob der Untergrund aus holprigen Pflastersteinen oder einer asphaltierten Fläche besteht.“
- Ich weiß nicht, ob Ihre Aussage auf persönlicher Erfahrung beruht. Ich selbst kenne diese Strecke seit Jahrzehnten und weiß, dass sie gerade von Radfahrern sehrfrequentiert wird. Es ist eine gezielte Fehlbehauptung, sie einfach als (zu) holprig abzuqualifizieren. Von Rennrädern abgesehen kann sie ohne Probleme genutztwerden. Die paar Salonradfahrer/innen, die durch Asphaltierung zusätzlichgewonnen werden könnten rechtfertigen jedenfalls nicht die Zerstörung eineseinzigartigen Baudenkmals.
„Bei Regen und Nässe besteht … zudem hohe Rutschgefahr, weshalb es verstärkt zu Unfällen kommen kann.“
- Ebenfalls eine Fehlbehauptung, die sachlich nicht begründet ist. Zunächst einmal: Wer sich bei bestimmten Gegebenheiten falsch verhält, kann mit jedem Fahrzeug und auf jedem Untergrund ausrutschen. Außerdem trocknet eine Pflasterstraße wesentlich schneller als eine Asphaltpiste, auf der Wasserpfützen noch lange stehen bleiben können. Und vor allem: Die Panzerstraße wird seit Jahrzehnten von Radfahrern genutzt: Wie viele Rutsch-Unfälle hat es in all der Zeit gegeben? Mir jedenfalls ist keiner bekannt. Da diese Begründung immer wieder vorgebracht wird, bitte ich dringend um einen entsprechenden Nachweis.
„Schon aus Sicherheitsgründen . . .“
- Gerade Sicherheit wird durch einen asphaltierten Schnellweg gefährdet werden: Nämlich die Sicherheit aller anderen, die in großer Zahl diese Straße nutzen: Spaziergänger, z.T. mit Hunden, Familien mit Kindern und Kinderwagen, Jogger, Seniorengruppen … Was wird aus ihnen? Werden sie sich ständig vor Temporadlern in Acht nehmen müssen?
„Dem Denkmalschutz wird dadurch Rechnung getragen, dass auf der Straße Sichtfenster eingelassen werden, damit der alte Charakter der Straße erkennbar bleibt.“
- Ja, nach neuestem Stand sollen 80 m Pflaster frei bleiben. Achtzig Meter von mehreren Kilometern! Das ist nicht etwa lächerlich, – das ist jämmerlich und beschämend! Denkmalschutz!? Warum nicht auch ein Schloss, ein Kloster, ein Renaissancerathaus abreißen und einen Fensterbogen stehen lassen – „damit der alte Charakter erkennbar bleibt“? Dazu eine Formulierung von anderer Stelle: „Ein Kompromiss mit dem Landesdenkmalamt“. Diese Behörde versteht sich offensichtlich als weisungsgebunden und liefert so einen weiteren Beweis, dass der Denkmalschutz, wenn gewichtige wirtschaftliche oder politische Interessen ins Spiel kommen (und letzteres ist hier der Fall, denn wirtschaftlich ist das Vorhaben geradezu widersinnig)), das Papier nicht wert ist, auf das er gedruckt wird. An anderen Beispielen gerade in der Region Stuttgart fehlt es nicht.
„Die weiteren Abschnitte der Strecke sind keineswegs ungeklärt, sondern werden … auf beiden Seiten in Machbarkeitsstudien untersucht.“
- Ich nehme an, dass Ihnen der eklatante Widerspruch selbst bewusst ist: Ein Problem gilt also bereits dadurch als gelöst, dass man eine Untersuchung in Auftrag gibt! Auch hier eine dieser Nebelparolen, mit denen Behörden sachkundige Bürger mundtot machen wollen. Aktuelle Parallele: Jeder kann sich an den Fingern abzählen, dass die Ansiedlung der Allianzzentrale in Vaihingen dem bereits jetzt überlasteten Stadtteil weitere massive Probleme bringen wird. Beschwichtigung: „Wir arbeiten an einem Verkehrsstrukturplan.“ Entstehen allein dadurch neue, bisher unbekannte Wege? Wird allein durch Planen der Verkehr reduziert? Zur Panzerstraße: Jeder halbwegs Ortskundige weiß, dass die Zufahrtsmöglichkeiten von Böblingen und Sindelfingen her äußerst problematisch sind (u.a. hohe Steigung) und die Weiterführung auf Stuttgarter Seite – nach dem schmalen Steg über die A8 – nur zwei Möglichkeiten bietet: Waldburgstraße mit steilen Gefälle und Gegenverkehr (u.a. Linienbusse) oder Panzerstraße bis zu den Patch Barracks (diese Strecke wird man dann ja auch asphaltieren wollen/müssen!). Ändert sich an diesen Fakten etwas durch eine ‚Studie‘? Hier verfährt man nach dem bekannten Prinzip: Einfach mal Fakten schaffen: Mit den Folgen werden die Bürger dann leben müssen – was bleibt ihnen auch anderes übrig?
„Warum sollten Radschnellwege nicht beleuchtet werden, wenn dies bei Autostraßen durch den Wald .. so ist?“
- Wo sind (Land-)Straßen durch den Wald beleuchtet? Bitte Beispiele. Es geht hier darum, eine zusätzliche Lichtschneise durchzuziehen. Wer braucht das?
„Ich hoffe, wir konnten Ihnen . . . weiterhelfen …“
- Wer ist ‚wir‘? Ich hatte mich keineswegs als Hilfesuchender an Herrn Hermann gewandt, sondern mit Aussagen, die auf Sachkenntnis beruhen und zu denen ich eine Stellungnahme erwarten durfte. Dieser Satz wird offenbar routinemäßig (=gedankenlos?) an solche Texte gehängt. Im gegebenen Fall ist er eine Abwertung des Kommunikationspartners.
Herr Tschenk, ich glaube, dass ich mich in Ihre Situation versetzen kann. Ihre Rolle ist es eben, Entscheidungen der Verantwortlichen zu vertreten und Einwände prinzipiell zurückzuweisen. An Ihrer Stelle würde mir vermutlich auch nicht mehr einfallen. Ich bitte, dieses Schreiben umgehend an Herrn Hermann weiter zu leiten und mir die Kenntnisnahme durch ihn zu bestätigen.
Fazit:
Wie ich deutlich erklärt habe, befürworte ich alle Maßnahmen, mit denen der Radverkehr sinnvoll gefördert wird. Das kann auch für Radschnellwege zutreffen (z.B. Plochingen – Stuttgart). Aber hier geht es um dieses Einzelprojekt Panzerstraße.
Was geplant ist (und der Baubeginn steht offenbar kurz bevor) ergibt eine isolierte Radautobahn mitten durch den Wald, ohne sinnvolle Anschlüsse. Die zu erwartende geringfügige Zunahme des Pendlerverkehrs steht in keinem Verhältnis zu der Zerstörung eines in Baden-Württemberg einzigartigen Baudenkmals und der Verschleuderung von mehr als 3 Mio. Steuergeldern.
Eine sinnvolle Maßnahme zur Verbesserung des Radverkehrs zwischen Böblingen/Sindelfingen und Stuttgart wäre z.B. die Einrichtung von Radstreifen links und rechts der alten B 14: wesentlich geringere Höhenunterschiede! Die von mir genannten Tatsachen und Argumente sind vermutlich auch den Projektbetreibern bekannt oder könnten es wenigstens sein.
Warum handeln sie trotzdem so?
Das Ministerium weiß, dass die anderen vorgesehenen Radschnellwege auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen und bestenfalls nach mehreren Jahren zu realisieren sind. Daher will man möglichst schnell ein fertiges Stück vorzeigen können: (Un-)Sinn, Denkmalschutz und finanzieller Aufwand müssen dann eben zweitrangig sein. Bei Landrat und Kreistag Böblingen mag das lokale Streben nach Öffentlichkeitswirkung im Vordergrund stehen: Hauptsache, wir kommen in die Medien. Böblingen first! Somit gilt nach wie vor: In erster Linie ein Prestigeprojekt! Eine Kulturschande und ein (ebenso teurer wie sinnloser) Schildbürgerstreich!
Mit freundlichen Grüßen
…
PS. Ich habe mittlerweile auf der Panzerstraße eine ganze Reihe Radfahrer und Fußgänger ansprechen können. Niemand war darunter, der die Asphaltierung befürwortet hätte!