Strafanzeige gegen die Aurelis GmbH & CoKG, die Fa. Karl Fischer GmbH und die Deutsche Bahn AG wegen des Verdachts von Straftaten gegen die Umwelt

Gerhard Wick (VorOrt – Zeitung für das andere Vaihingen), Dürrlewangstr. 4, 70565 Stuttgart
Sabine Mika (Initiative gegen einen Fernomnibusbahnhof in Vaihingen, IgFOB), Gietmannstr. 38, 70565 Stuttgart
Kristin C. Wedekind (NABU Gruppe Stuttgart), Sombartstr. 33, 70565 Stuttgart

An die
Staatsanwaltschaft Stuttgart
Neckarstraße 145 70190 Stuttgart


Betr.: Strafanzeige gegen die Aurelis real estate GmbH & Co KG, die Fa. Karl Fischer GmbH und die Deutsche Bahn AG wegen einer Straftat gegen die Umwelt

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit erstatten die Unterzeichnenden

Anzeige
gegen
die Aurelis real estate GmbH & Co KG, Mergenthalerallee 15-21, 65760 Eschborn bzw. deren gesetzliche Vertreter,
die Fa. Karl Fischer GmbH, Untere Rainstrasse 32, 73235 Weilheim Teck, bzw. deren gesetzlichen Vertreter
und die Deutsche Bahn AG
wegen einer Straftat gegen die Umwelt, insbesondere einer Straftat nach §§ 324 a; 329, Abs. 3. StGb., sowie § 42 Abs. 1 Nr. 1-3 i. V. m. §§ 65 und 66 BNatSchG .

Zum Sachverhalt:
Seit Ende April 2008 führen Arbeiter der Fa. Karl Fischer GmbH auf dem im Besitz der Fa. Aurelis befindlichen ehemaligen Bahn-Gelände südlich des S-Bahnhofes Vaihingen umfangreiche Abriss- und Planierungsarbeiten durch: u.a. die Entfernung von Gleiskörpern, den Aushub von mindestens teilweise kontaminierten geschotterten Gleisbetten und des darunter liegenden Erdreichs, der Einebnung und Planierung des Geländes. Die Arbeiten dauerten auch den ganzen Monat Mai über an.

Für das Gelände ist derzeit ein Bebauungsplanverfahren in Vorbereitung, in dessen Zuge ein der Fa. Aurelis bekanntes Gutachten nach §42 BnatSchG vorliegt, wonach auf dem Gelände folgende geschützte Tierarten heimisch sind:
• die streng geschützte Zauneidechse, die in Baden-Württemberg auf der Vorwarnliste steht
• die besonders geschützte und stark gefährdete blauflüglige Sandschrecke
• 38 Wildbienenarten, die besonders geschützt sind, darunter die gefährdete weißfleckige Wollbiene
• die Rainfarn-Seidenbiene und die Natterkopf-Mauerbiene, die landesweit auf der Vorwarnliste stehen
• Nachtkerzenschwärmer, Feldhasen, Zwergfledermäuse und Tagfalter

In den Allgemeinen Zwecken und Zielen der Planung und der Checkliste zur Umweltprüfung für den Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplanes ist ausgeführt: „Für die Zauneidechse und die blauflüglige Sandschrecke stehen außerhalb des Geltungsbereichs Ersatzflächen zur Verfügung, die bereit gestellt werden können, bevor der Geltungsbereich der geplanten Nutzung zugeführt wird."

Mit den oben bezeichneten Maßnahmen ist die Fa. Aurelis und wohl in ihrem oder im Auftrag der Deutschen Bahn AG die Fa. Karl Fischer nun diesen Schutzmaßnahmen für die bedrohten Tierarten zuvorgekommen, indem sie deren Lebensraum und die Tiere selbst durch die nicht genehmigten Bodeneingriffe zerstörte.
Wie Fotos belegen befanden sich auch Insektizide und andere Umweltgifte auf dem Gelände, über deren Einsatz, Verbleib oder sachgerechte Entsorgung nichts Näheres bekannt ist. Am 27.5. haben Mitarbeiter des Stadtplanungsamtes der Stadt Stuttgart vor Ort erfolglos versucht, die schon weit fortgeschrittenen, nicht genehmigten Arbeiten zu stoppen. Dabei wurden die ausführenden Arbeiter auf die Rechtswidrigkeit ihrer Handlungen hingewiesen.
Seitens der Stadt Stuttgart ist deshalb nach Auskunft des Stadtplanungsamtes ein Bußgeldverfahren gegen die Fa. Aurelis anhängig.
Das im Zuge des Bebauungsplanverfahrens erstellte Gutachten der Naturschutzbehörde und dessen Aufnahme in das Planungsverfahren ist als mindestens teilweise unter Naturschutz Stellung des Geländes anzusehen, was von der Fa. Aurelis, wohl zur Umgehung kostenträchtiger Ausgleichs- und Umsiedlungsmaßnahmen, nicht nur fahrlässig, sondern absichtlich, um Kosten zu sparen, missachtet wurde. Durch die vorgenommenen Eingriffe wurden die streng geschützten Tiere und/oder ihre Gehege zerstört, mindestens das Gelände so beeinträchtigt, dass die streng geschützten Tierarten nicht überleben und somit auch nicht mehr, wie im Bebauungsplanentwurf vorgesehen, umgesiedelt werden können.

Stuttgart, den 30.5.2008

Sabine Mika (IgFOB)
Kristin C. Wedekind (NABU Gruppe Stuttgart)
Gerhard Wick (Herausgeber VorOrt Vaihingen)

Folgende Anlagen wurde bereits per Email übersandt: die Gemeinderatsdrucksache 56/2008, aus der auch der genaue Standort des Geländes hervorgeht. Ebenso Fotodokumente der Gleis- und Erdarbeiten, aufgenommen Ende April und Ende Mai 2008, einen Artikel aus der Filderzeitung vom 29.5.2008, sowie einen Antrag der Gemeinderatsfraktion von Bündnis90/Die Grünen.

 

Staatsanwaltschaft Stuttgart

Verfügung vom 14.05.2009

Das Ermittlungsverfahren gegen

Verantwortliche der Fa. Aurelis real estate GmbH & Co. KG
Verantwortliche der Firma Fischer Weilheim Abbruch GmbH & Co. KG
Verantwortliche der Deutschen Bahn AG, Werner Marx

wegen Verdachts des Verstoßes gegen § 66 Bundesnaturschutzgesetz u.a.

wird gem § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Zur Verfolgung der Ordnungswidrigkeit gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG u. a. wird das Verfahren an die Landeshauptstadt Stuttgart, Untere Naturschutzbehörde zu dem dort bereits anhängigen Verfahren abgegeben, § 43 OWiG.

Gründe:

Aufgrund einer Anzeige, wonach Arbeiter der Firma Karl Fischer GmbH auf dem Gelände der Firma Aurelis real estate GmbH & Co. KG südlich des S-Bahnhofs Vaihingen seit Ende April bis in den Mai 2008 hinein die Gleiskörper entfernt und die darunter liegenden Gleisbetten planiert hätten, obwohl dort geschützte Tierarten lebten, bestand u.a. der Verdacht einer Strafttat gemäß § 66 BNatSchG.

Die polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass das fragliche Grundstück südlich des S-Bahnhofs Vaihingen, Flurstück 1033/9, knapp 600 m2 groß ist und im Eigentum der Deutschen Bahn AG steht. Auf dem Gelände soll der Fernomnibusbahnhof Vaihingen errichtet werden. Für Verkauf und Verwaltung des Immobilieneigentums der Deutschen Bahn AG ist bundesweit die zu diesem Zweck gegründete Firma Aurelis real estate GmbH & Co. KG zuständig. Die Deutsche Bahn AG ist für die Räumung und Freistellung der entsprechenden Grundstücke verantwortlich. Das Gelände ist im wesentlichen frei von baulichen Anlagen, der Boden ist jedoch größtenteils versiegelt. Weiterhin befinden sich auf dem Gelände Gleisanlagen (Luftaufnahmen mit Kennzeichnung des Planungsgebietes Bl. 78 der Akte).

Im Auftrag des Amtes für Umweltschutz der Landeshauptstadt Stuttgart erstellte die Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung J. Trautner im Oktober 2006 ein Gutachten. Untersucht werden sollte, ob und wenn ja welche geschützten Tiere auf dem Gelände vorkommen, welche Beeinträchtigungen zu erwarten seien und wie sie vermieden oder minimiert werden könnten.

Bei der Deutschen Bahn netz AG war der Beschuldigte Marx für die Planung und Abstimmung mit den Behörden zuständig und fungierte auch als Bauleiter. Mit Datum vom 22.4.2008 (Bl. 90 der Akte) beauftragte die Deutsche Bahn netz AG die Firma REMEX CONMIN GmbH damit, den Schotter aus dem Gleisbett aufzunehmen und zu entsorgen, wobei den Arbeiten am 15.05.2008 begonnen werden sollte. Die Aufnahme des Schotters aus dem Gleisbett sollte bis zum 30.05.2008 beendet sein. Die Firma REMEX CONMIN GmbH wiederum beauftragte die Firma Fischer Weilheim Abbruch GmbH & Co. KG mit der Ausführung der Arbeiten.

Nach dem Rückbau der Gleise wurden ab dem 13.05.2008 bis Ende Mai 2008 ungefähr 3.000 Tonnen Gleisschotter abgetragen und ordnungsgemäß entsorgt. Eine Befreiung gemäß § 62 BNatSchG vom Verbot des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG, die Entwicklungsformen, Nist-, Brut-, Wohn- doer Zufluchtsstätten von wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten zu beschädigen oder zu zerstören, war nicht gewährt worden.

Die mit der Abtragund des Schotters aus den Gleisbetten beauftragten Personen bzw. die Verantwortlichen der Firmen, die die entsprechenden Aufträge hierzu vergeben haben, haben sich nicht straftbar gemacht.

Insbesonder haben sich die Beschuldigten nicht gemäß § 329 Abs. 3 Nr. 6 StGB strafbar gemacht, da das fragliche Gelände schon keinem besonderen Schutz, etwa dem eines Naturschutzgebietes, unterliegt.
Die Beschuldigten haben sich auch nicht gemäß § 66 Abs. 2 BNatSchG in Verbindung mit §§ 65 Abs.1 Nr. 1, 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG strafbar gemacht. Nach der Legaldefinition des § 10 Abs. 2 Nr. 11 BNatSchG sind streng geschützte Arten solche besonders geschützten Arten, die in entsprechenden Verordnungen oder Richtlinien aufgeführt sind. Das Gutachten vom Oktober 2006 führt als einzige streng geschützte Art, die auf dem Gelände festgestellt werden konnte, Zauneidechsen auf, während Nachtkerzenschwärmer im gesamten Untersuchungsgebiet nicht nachgewiesen werden konnten. Von der Zauneidechse wurden lediglich zwei Exemplare festgestellt, weshalb das Gutachten von einer individuenarmen Population ausgeht. Diese beiden Tiere wurden auch nicht im Gleisbett, sondern auf einem angrenzenden, von den im Mai 2008 durchgeführten Arbeiten nicht betroffenen Areal festgestellt (Kennzeichnung in der Luftbildaufnahme Bl. 78 der Akte). Der Lebensraum der Zauneidechse wurde durch die Arbeiten am Gleisbett nicht beschädigt oder zerstört.

Alle weiteren im Untersuchungsgebiet bzw. Bereich der Gleiskörper festgestellten Arten sind "lediglich" besonders geschützte Arten. eine Beeinträchtigung oder Zerstörung der Lebensräume dieser Tierarten ist gemäß § 66 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 65 Abs. 1 Nr. 1, 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nur strafbar, wenn der Täter die vorsätzliche Handlung gewerbs- oder gewohnheitsmäßig begeht. Gewerbsmäßigkeit wird im Strafrecht dann angenommen, wenn sich der Täter aus der wiederholten Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang verschaffen möchte, wobei Gewerbsmäßigkeit nicht gleichbedeutend mit Gewerblichkeit ist (Fischer, Strafgesetzbuch, 55. Aufl., vor § 52 Rn 62 m.w.N.).

Im Rahmen der Vorarbeiten zur zukünftigen Nutzung des Geländes gibt es bezüglich keines der Beschuldigten Anhaltspunkte dafür, dass die widerrechtliche Beeinträchtigung von Lebensräumen geschützter Arten ins Auge gefasst war oder derartige Taten gewohnheitsmäßig begangen wurden.

Hinsichtlich der Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 65 Abs. 1 Nr. 1, 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG wird das Verfahren an die zuständige Verwaltungsbehörde zur Verfolgung der Ordnungswidrigkeit in eigener Zuständigkeit abgegeben.

gez. Schönfelder
Staatsanwalt -GL-