Offener Brief der Initiative gegen einen zentralen Fernomnibus-Bahnhof in Vaihingen (IgFOB)
an
Oberbürgermeister Wolfgang Schuster
Bürgermeister Matthias Hahn und die
Gemeinderätinnen und Gemeinderäte
vom 31.1.2008

Verlegung des ZOB vom Hauptbahnhof nach Vaihingen

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Hahn,
sehr geehrte Damen und Herren Gemeinderäte

In Vaihingen haben sich inzwischen zahlreiche Bürgerinnen und Bürger in der „Initiative gegen einen zentralen Fernomnibusbahnhof in Vaihingen“ (IgFOB) zusammengeschlossen, weil sie mit guten Gründen eine weitere Verschlechterung der Wohn- und Lebensqualität in ihrem Stadtbezirk befürchten, wenn mit dem zentralen Fernomnibusbahnhof Stuttgarts ein zusätzlicher Verkehrsknotenpunkt in dem ohnehin verkehrsüberlasteten Stadtbezirk entsteht.

Uns ist völlig unverständlich, wie Stadtverwaltung und Gemeinderat zu der Einschätzung kommen konnten, dass Vaihingen ein geeigneter Standort für eine solche Einrichtung sei. Offensichtlich wurden bei der Standortwahl nur die vorhandenen Straßenverbindungen betrachtet, nicht aber die bereits heute vorhandene Verkehrsbe- bzw. –überlastung der Zu- und Abfahrtsstraßen. Alle bisher bekannten Verkehrsprognosen - beispielsweise die Verkehrsuntersuchung für die Stuttgarter Fildervororte von 2005 - gehen davon aus, dass die Leistungsgrenzen des Vaihinger Straßennetzes schon im Jahr 2010 aufgrund der bereits genehmigten Siedlungstätigkeiten erreicht sein werden. Und dabei ist der Baustellenabwicklungsverkehr für Stuttgart 21, z.B. für die „Rohrer Kurve“ und den Tunnelbau zum Flughafen, noch nicht einmal berücksichtigt.

Ganz in der Nähe des für den ZOB vorgesehenen Geländes steht ein Baumarkt kurz vor der Realisierung, der nach Angaben der Stadtverwaltung täglich weitere ca. 4 000 Verkehrsbewegungen nach Vaihingen bringt. Es sind ja nicht nur die rund 20.000 Busse, die jährlich nach Vaihingen hinein- und wieder hinausfahren müssten. Obwohl der Hauptbahnhof über eine erheblich bessere Vernetzung im öffentlichen Verkehr verfügt als Vaihingen, werden schon dort rund 80% der Busreisenden mit dem PKW oder dem Taxi gebracht oder abgeholt. Das würde für Vaihingen jährlich mehr als 1 Million weiterer Fahrzeug-Bewegungen bedeuten.

Vor wenigen Jahren wurde Vaihingen wegen seiner übermäßig starken Verkehrsbelastung unter allen Stuttgarter Stadtbezirken als Pilotgebiet für die Erstellung eines Lärmminderungsplans ausgewählt. Nun sind dessen erste Maßnahmen unter hohem Einsatz von Steuergeldern verwirklicht worden, wie beispielsweise ein flächendeckendes LKW-Durchfahrtsverbot. Die Wirkung dieser insgesamt über zwei Millionen Euro teuren Lärmschutz-Maßnahmen würde durch eine Verlegung des ZOB nach Vaihingen zunichte gemacht.
Nach Auskunft der städtischen Verkehrsplaner lässt sich weder verhindern, dass die Reisenden durch Vaihingen zum Busbahnhof fahren, noch dass die Busse selbst diesen Weg nehmen.
Inwiefern die Standortwahl Vaihingen da angeblich eine „wirtschaftlich sinnvolle“ Lösung sein soll, ist überhaupt nicht nachvollziehbar.

Wenn sich in Vaihingen nun der Bezirksbeirat einstimmig und eine übergroße Mehrheit der Bevölkerung gegen das Vorhaben ZOB, kombiniert mit weiteren Geschäfts- und Bürobauten wendet, so geschieht dies sicherlich nicht, weil man in Vaihingen nicht bereit ist, für das Wohl der Gesamtstadt auch Lasten zu tragen. Tatsächlich hat der Stadtbezirk Vaihingen in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen weit überdurchschnittlichen Teil der Siedlungsausdehnung Stuttgarts sowohl im Gewerbe- als auch im Wohnbereich übernommen. Neben der bereits Anfang der 90er Jahre beschlossenen und bis heute weitgehend realisierten Verdichtung des Gewerbegebiets Vaihingen/Möhringen auf das doppelte der damaligen Baumassen und beständiger Ausweitung der Einrichtungen der Universität wurden zahlreiche große zusätzliche Gewerbe- und Wohngebiete auf klimatologisch bedeutsamen Freiflächen neu erstellt.

Vaihingen verfügt heute als flächengrößter Stuttgarter Stadtbezirk nur noch über 13% an für die Lebens- Wohn- und Umweltqualität wichtigen Freiflächen. Viel weniger als die meisten anderen Stadtbezirke. Mit der ungebremsten Siedlungstätigkeit ist ebenso unmäßig das Verkehrsaufkommen gewachsen. Jede Maßnahme zur Entlastung des Ortes durch Umfahrungsstraßen wurde sofort durch neue Großgewerbeansiedlungen im Ortsbereich wieder zunichte gemacht. Vaihingen ist aber nicht nur Siedlungsgebiet, sondern auch einer der wichtigsten Versorger gesamt Stuttgarts mit Frischluft.
Wer die Vaihinger Kaltluftentstehungsgebiete versiegelt, die Luftschneisen mit Großbauten verriegelt und die Frischluft durch Autoabgase - egal ob innerorts oder auf den Umfahrungsstraßen - zur Schadstoffwolke werden lässt, der beeinträchtigt nicht nur Gesundheit und Lebensqualität der Vaihinger Bevölkerung, sondern die aller Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger.

Bei jedem geplanten Großprojekt der vergangenen Jahre wurde versichert, dass es sich dabei wirklich um das letzte handele, weil die Belastungsgrenzen für Mensch und Umwelt erreicht seien. Allerdings nur um danach wieder nahezu jeder Anfrage meist privater Investoren nach Großbauprojekten nachzugeben.
Auch bei der Standortwahl für den ZOB haben wir den Verdacht, dass es sich dabei weniger um eine verkehrs- und stadtplanerisch gewissenhafte Abwägung als vielmehr um eine Gefälligkeit für den Immobilienverwerter und Projektentwickler Aurelis handelt, der angesichts zahlreicher leerstehender Büroflächen und sterbendem Einzelhandel sein Gelände am Vaihinger Bahnhof bisher nicht gewinnbringend vermarkten konnte.

Wir bitten Sie daher nachdrücklich, die Pläne für eine Ansiedlung des ZOB/FOB in Vaihingen nicht weiter zu verfolgen und statt dessen auf der Basis aktueller Verkehrs- und Umweltdaten eine erneute Standortsuche in die Wege zu leiten.

Mit freundlichen Grüßen
IgFOB
c/o Sandra Johnston, Alpenrosenstr. 16, 70563 Stuttgart
igfob@web