29.5.2008
Schreiben der IgFOB an die Mitglieder des Umwelt- und Technik-Ausschusses des Stuttgarter Gemeinderats

Sehr geehrtes UTA-Mitglied,

in wenigen Tagen sollen Sie den Weg für den „Fernbusbahnhof Stuttgart-Vaihingen“ frei machen.

Als Vaihinger Bürgerinnen und Bürger, die das Geschehen der letzten Monate sehr aufmerksam verfolgt haben, hoffen wir, dass Sie als unsere gewählten Vertreter sich nicht am Gängelband der Verwaltung vorführen lassen.

Wir möchten Sie vor der Sitzung auf Folgendes aufmerksam machen:

Weder zur Änderung des Flächennutzungsplans noch zur Aufstellung des Bebauungsplans ist der Bezirksbeirat Vaihingen bisher gehört worden. Beide Unterlagen sind bisher auch nicht dem Bezirksbeirat Möhringen vorgelegt worden (grenznahe Angelegenheit).

Der Bezirksbeirat Vaihingen hatte die Beschlussvorlage 56/2008 zwar für seine Sitzung am 6.5.2008 erhalten, sich aber außerstande gesehen, dazu ein Votum abzugeben. Er hat das Thema mit einstimmiger Beschlussfassung vertagt, weil wesentliche Informationen fehlten:

1. Es gibt keine Kostenschätzung für das Vorhaben.
Weil der Bau und Betrieb eines Fernbusbahnhofs keine Pflichtaufgabe für die kommunale Hand sind, sollte eine solche Investition aber besonders gut begründet und vorbereitet werden. Wenigstens eine grobe Kostenschätzung sollte daher bereits zum Aufstellungsbeschluss vorhanden sein.
Bisher ist nicht einmal eine Größenordnung vorgestellt worden, um wieviel Geld ein Fernbusbahnhof in Vaihingen billiger käme als ein ZOB in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs. Denn für Zentrale Omnibusbahnhöfe gibt es öffentliche Fördermittel, die bis zu 75% der Kosten umfassen können (vgl. Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden), weshalb auch aus wirtschaftlichen Gründen ansonsten kaum eine Stadt in Deutschland auf einen Zentralen Omnibusbahnhof verzichtet. Das Gelände in Vaihingen müsste erst angekauft oder gepachtet werden, die Flächen beispielsweise an der Athener Straße sind bereits in städtischer Hand. Daher ist eine ernsthafte kostenmäßige Gegenüberstellung verschiedener Standort-Alternativen vor der Festlegung auf einen Standort dringend erforderlich.

2. Der Bezirksbeirat Vaihingen hatte in seiner Sitzung am 13.11.2007 einstimmig verlangt, dass zu diesem Vorhaben ein aktuelles Verkehrsgutachten für den Stadtbezirk erstellt und eine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird.
Die Beschlussvorlage geht aber auf keine dieser Forderungen ein und lässt offen, wie beispielweise der bekannten Überlastung des Vaihinger und Möhringer Straßennetzes insbesondere an den Spitzentagen und den vorhandenen, erheblichen Belastung der Stadtbezirke mit gesundheitsschädigenden Verkehrsimmissionen im Laufe des Verfahrens Rechnung getragen werden soll.
Die Beschlussvorlage lässt außerdem offen, ob das im Stadtplanungsamt bereits entwickelte Verkehrslenkungskonzept zur Anwendung kommen soll oder nicht – der Bezirksbeirat Vaihingen hatte dieses Konzept am 12.2.2008 als völlig unzureichend verworfen. Es fehlen also noch wesentliche Informationen, um beurteilen zu können, ob die Ansiedlung des Fernomnibusbahnhofs in Stuttgart-Vaihingen wünschenswert wäre, unter bestimmten Voraussetzungen toleriert werden könnte, oder abzulehnen ist.

3. Der Bezirksbeirat Vaihingen hat am 8.4.2008 Auskunft darüber verlangt, welche Regelungen hinsichtlich des ZOB in den Verträgen zu Stuttgart 21 getroffen wurden. Er hat dazu bisher keine Antwort erhalten.
Herr Bürgermeister Hahn hatte zwar am 23.10.2002 schriftlich gegenüber dem Regierungspräsidium Stuttgart erklärt, der ZOB sei Teil des Verfahrens Stuttgart 21 und die Finanzierung eines Ersatzstandortes seien Folgekosten dieses Vorhabens. Weshalb nun aber die Stadt Stuttgart alleine für einen Ersatzstandort aufkommen soll und die Vorhabenträgerin Deutsche Bahn AG nicht an einer Finanzierung beteiligt wird, ist nicht klar.
Die Befürchtung, dass es sich hier um einen Verdrängungswettbewerb der Deutschen Bahn AG zu Lasten des Fernlinienbusverkehrs, seiner privaten Betreiber und jährlich rund 1 Million Busreisenden handeln könnte – und das auf Kosten der Stadt Stuttgart –, ist damit noch nicht ausgeräumt.

Auch Sie haben zu diesem Vorhaben Anträge gestellt, die noch nicht abschließend bearbeitet worden sind (z.B. hat Herr Dannenfeld vom Verband der baden-württembergischen Omnibusunternehmen noch nicht vor Ihnen vorgetragen).
Alleine anhand der Beschlussvorlage 56/2008 können Sie allerdings kaum einschätzen, wie sich der Fernlinienbusverkehr zukünftig entwickeln dürfte: Sie können aus der Beschlussvorlage herauslesen, dass 6 Bussteige ausreichen könnten. Die Beschlussvorlage kann aber auch so gelesen werden, dass selbst 16 Bussteige noch zu knapp bemessen wären. Auch das ist keine klare Basis für eine Investitionsentscheidung!

Im Übrigen kann dieses Vorhaben nicht eilbedürftig sein - sonst wären die Unterlagen, die bereits im Januar vom Leiter des Stadtplanungsamtes unterzeichnet worden waren, nicht erst drei Monate später an die politischen Gremien weitergeleitet worden.

Wir Vaihinger Bürgerinnen und Bürger begrüßen es sehr, dass der Bezirksbeirat Vaihingen eine sachbezogene Entscheidung treffen möchte, die nicht auf äußerst mangelhafter Informationsgrundlage und unter künstlichem Zeitdruck zustande kommt.

Wir hoffen, dass Sie diese Einschätzung in Ihrer Sitzung am 3. Juni 2008 bestätigen werden!

Ergänzend möchten wir Ihnen mitteilen, dass in kurzer Zeit bereits über 2.000 Vaihingerinnen und Vaihinger mit ihrer Unterschrift dokumentiert haben, dass sie das Vorhaben „Fernomnibusbahnhof S-Vaihingen“ ablehnen. Sie setzen sich – wie übrigens auch die IHK Region Stuttgart und die City Initiative Stuttgart – für einen Standort des Zentralen Busbahnhofs in direkter Nähe des Hauptbahnhofs ein.

Zuletzt möchten wir Sie darauf aufmerksam machen, dass das betreffende Vaihinger Gelände, auf dem über 40 geschützte Tierarten leben sollen, derzeit baulich verändert wird. Hier ist in der Tat dringendes Handeln angezeigt, um Schaden für das Gemeinwohl abzuwenden!

Wir bitten um Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Mika, Christa Tast

IgFOB Vaihingen
http://www.igfob-vaihingen.de