Brief der IgFOB an alle Gemeinderäte zu den Planungen auf dem Aurelis Areal am Vaihinger Bahnhof im Zusammenhang mit der Verlegung des ZOB nache Vaihingen

Frau Gemeinderätin
xxxxx
Rathaus
70173 Stuttgart

Betreff: Offener Brief
an die Gemeinderätinnen und -räte der Landeshauptstadt Stuttgart,
Planungen im Zusammenhang mit der Verlegung des ZOB nach Stuttgart- Vaihingen


Sehr geehrte xxxx,

im UTA wurde mehrheitlich eine Verlegung des Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) nach Stuttgart-Vaihingen beschlossen.
Dieser neue Busbahnhof (FOB) soll nur Fernbuslinien zur Verfügung stehen. Für diese geplante Verlegung soll der Flächennutzungsplan 2010 geändert und ein Bebauungsplan aufgestellt werden. Insgesamt soll eine Fläche in der Größe von 25.000 qm einer neuen Nutzung zugeführt werden. Davon sind 4.848 qm, also weniger als 1/5 der durch die Planung betroffene Fläche, für den FOB vorgesehen.
Die für diese Verlegung vorgetragenen “Argumente” konnten weder die Fahrgäste, die Busunternehmen, die IHK, die City-Initiative Stuttgart, die höhere Verkehrsbehörde, noch die Vaihinger Bürgerschaft überzeugen: Hauptbahnhof und ZOB gehören, wie z.B. in Hamburg, zusammen.
Auch wenn wir dieses für Vaihingen schädliche Projekt weiterhin nachdrücklich ablehnen, wollen wir gemeinsam mit Ihnen die künftige Nutzung der von der Planung betroffenen insgesamt 25. 000 qm erarbeiten, um zu einer für Vaihingen am wenigsten schädlichen Lösung zu kommen.
Wir folgen damit den zahlreichen Aufforderungen aus der Mitte des Gemeinderats, auch nach einer “ negativen” Entscheidung für Vaihingen in Sachen FOB weiter bürgerschaftlich engagiert mitzuwirken.
Die aktuellen Planungsunterlagen geben über eine Nutzung der weiteren 20.000 qm Planungsfläche( neben dem 4.848 qm großen FOB) wenig Auskunft.
Wir bitten Sie daher für die weiteren gemeinsamen Überlegungen um Auskunft, wie Sie sich deren beabsichtigte künftige Nutzung konkret vorstellen.

Hierzu unsere Fragen:
1.) Die beabsichtigte Änderung Nr. 44 des Flächennutzungsplans 2010 sieht keine Begrenzung der Nutzungsmöglichkeiten vor. Dies bedeutet, dass baurechtlich (laut Baunutzungsverordnung) bis zu 75.000 qm Bruttogeschoßfläche geplant werden können.
1.1.
Beabsichtigen Sie im weiteren Planungsverfahren, diese baurechtlich zulässige maximale Nutzungsmöglichkeit in diesem Umfang aufrecht zu erhalten?
1.2.
Falls nein, in welchen Umfang soll die baurechtlich zulässige Nutzung begrenzt werden?
1.3.
Erwarten Sie für eine solche Nutzungsbegrenzung eine Mehrheit im Gemeinderat?

2.) Der Bebauungsplan“ FOB Fernomnibusbahnhof Stuttgart“ ( Vai 252) sieht ohne nähere Begründung 8.000 qm Flächenbedarf für einen FOB vor.
Bei der „Suche“ nach Alternativstandorten ist die Stadt bisher von einem Flächenbedarf von 6.000-7.000 qm ausgegangen. Der jetzige Grundstückseigentümer (Aurelis AG) ist gemeinsam mit Vertretern der Stadt Stuttgart (Leiter der Stabsstelle Wirtschaftsförderung) bei der Vorstellung dieses Objekts im Rahmen des u.a. von der Stuttgarter Zeitung und der Landeshauptstadt Stuttgart veranstalteten Immobilienforums am 8.7. 2008, von 4.848 qm Flächenbedarf für einen FOB bei der Investorensuche ausgegangen.
2.1.
Halten Sie es für normal, wenn man durch den Besuch einer kostenpflichtigen Veranstaltung im Stuttgarter Rathaus ( bei 320 € “Eintritt”) mehr und genauere Informationen erhält, als im parallel laufenden, öffentlichen Bauleitplanverfahren?
2.2.
Welchen Flächenbedarf für den FOB legen Sie Ihren weiteren Planungsüberlegungen zugrunde?
2.3.
Können Sie uns die Differenz von angegebenen 8.000 qm Flächenbedarf in den ausgelegten Planunterlagen und 4.848 qm benötigter Fläche bei Investorengesprächen erklären? Diese Differenz zwischen ausgelegten Planunterlagen und Investorengesprächen beträgt immerhin 60 %!
2.4.
Der aktuelle Flächenbedarf für den künftigen FOB wurde demnach deutlich reduziert. Wollen Sie die Stadtverwaltung mit einer angepassten, neuen Standortsuche für einen FOB beauftragen oder spielt der Flächenbedarf für die Standortwahl für Sie keine Rolle mehr?

3.) Die Planungen sehen, ohne nähere Begründung, für die von einem FOB nicht benötigte Fläche ( 20.000 qm) gewerbliche Nutzungen in Form von Hotels, Einzelhandel, Bürofläche, Boardinghouse vor.
Im Rahmen des Immobilenforums wurden Investoren von Stadt und Eigentümer umworben,
• in Verhandlungen mit einer einplanbaren Einzelhandelsfläche ab 3.000 qm einzutreten,
• entlang der Busbahnsteige Bürogebäude (4 — 5 Stockwerke mit Tiefgarage) vorzusehen,
• am Abgang zur Unterführung zur S-Bahn ein Hotel (bis zu 8 Stockwerken) vorzusehen.

Die Größenvorstellung wurden mit ca. 10.000 qm beziffert. Das derzeit das Grundstück nutzende Mietwagenunternehmen EUROPCAR soll bis auf Weiteres einen Teilbereich um die Ruppmannstraße/Regierungspräsidium herum nutzen können. Weitere baurechtliche Einschränkungen wurden beim Immobiliendialog am 8.7.2008 nicht gemacht.
3.1.
Welchen Flächenbedarf für den Einzelhandel legen Sie Ihren weiteren Planungsüberlegungen für Vaihingen zugrunde?
Ist das neue für Stuttgart entwickelte Einzelhandelsentwicklungskonzept für dieses Vorhaben aus Ihrer Sicht bedeutsam oder nicht?
Hängen die Planungsüberlegungen für die künftige Nutzung der weiteren 20.000 qm mit der Umsiedlung des ZOB zusammen, oder sind diese Überlegungen für die Ansiedlung von Einzelhandel, Hotel o.ä. unabhängig von der FOB-Planung zu sehen?

Für den geplanten FOB wollen die Grünen den zulässigen Einzelhandel auf den erweiterten Reisebedarf beschränken, der Bezirksbeirat in Vaihingen will für den Reisebedarf eine Einzelhandelsfläche von 200 qm ausweisen, die SPD höchstens 800 qm für durchschnittlich 300 Reisende täglich.
Beziehen sich die angedachten Nutzungsbeschränkungen für den Einzelhandel nur auf die für den FOB vorgesehenen 4.848 qm oder auch auf die restlichen 4/5(= 20.000 qm) der Neuplanung?
Oder gehen Sie (aus welchen Gründen?) von anderen Größenordnungen aus?
3.2.
In welchem Umfang halten Sie den Bau von Übernachtungseinrichtungen (Hotel, Boardinghaus) in Vaihingen für erforderlich? Worauf wird dieser vermutete Bedarf gestützt? Stehen diese Überlegungen im Zusammenhang mit dem Umzug des Busbahnhofs? Wird hierzu die Änderung des FNP benötigt oder ein neuer Bebauungsplan?
3.3
Halten Sie die Verkehrsanbindung für diese weiteren Nutzungen und Nutzungsmaße, zusätzlich zur Verkehrsanbindung für den FOB, und den Weiteren für das gesamte Gewerbegebiet Vaihingen-Möhringen bereits beschlossenen (Studentenwohnheim, Baumarkt) bzw. angedachten Planungen für gesichert?
3.4.Der FOB soll bereits im Jahr 2010 seinen Betrieb aufnehmen. Wie soll die geplante Verkehrsanbindung über die Nord-Süd-Straße rechtzeitig sichergestellt werden?

4.) Legt man die im Immoblienforum vorgestellten Überlegungen ( vgl. unter 3.)) zugrunde, die im zeitgleich laufenden Bebauungsverfahren bisher keinerlei Erwähnung fanden, bleiben immer noch fast 10.000 qm Grundfläche, für die es keine planerischen Vorstellungen oder politische Vorgaben gibt .Diese Fläche könnte - ohne planerische Vorgaben des Gemeinderats - durch den Eigentümer frei genutzt werden.
4.1.
Soll der Eigentümer über diese 10.000 qm auch nach Abschluß des Planungsverfahren frei verfügen können?
4.2.
Falls nein, welche Nutzung(en) sollen Ihres Erachtens im Laufe des Planungsverfahrens hierfür verbindlich festgeschrieben werden?

5.) Im Zusamenhang mit unserem organisierten Widerstand gegen die geplante Verlegung des ZOB nach Vaihingen haben zahlreiche Bürger eigene Überlegungen geäußert, wie dieses aktuell brachliegende Gelände, das nach Einschätzung der DB AG für den Bahnbetrieb nicht mehr benötigt wird, sinnvoll für Vaihingen und damit auch für Stuttgart genutzt werden könnte. Dabei wurden mehrfach folgende Möglichkeiten für die Nutzung von Teilen des Geländes genannt:

An erster Stelle
• neue, für “Normalverdiener” erschwingliche Wohnbebauung (Mietwohnungsbau), nahe an Arbeitsplätzen und ÖPNV als wegesparendes und damit energiesparendes zukunftsweisendes Modell, anstelle weiterer Inanspruchnahme von Grün-und Erholungsflächen im Stadtbezirk (wie im Gewann Honigwiesen),
desweiteren
• Nutzung als Grün- und Erholungsfläche (für Berufstätige im Gewerbegebiet und Anwohner im Umfeld des Gebiets),
• neues VHS-Zentrum Stuttgart-Filder,
• neues Berufsschulzentrum (Bündelung im Gewerbegebiet vorhandener beruflicher und berufsbegleitender Schulen), ideal gelegen am Eingang eines Gewerbegebiets,

neue Sportstätte für die nicht nur an der Heßbrühlstraße beheimateten Vereine der Filder-Vororte, die Stuttgart im nationalen Spitzensport sehr erfolgreich vertreten,

Freilegung des Sindelbaches (auch als Ausgleichsmaßnahme für die Baumaßnahmen anderenorts im Stadtbezirk Vaihingen) und Nutzung für Arten- und Biotopschutz (40 seltene Tierarten wurden bereits nachgewiesen),
• Erhaltung einer Frischluftschneise für Stuttgarts Mitte,
• Aufrechterhalten der heutigen Freifläche als Flächenreserve für zukünftige Nutzungsansprüche zugunsten des Gemeinwohls.
5.1.
Können Sie sich vorstellen, solche Überlegungen der Bürgerschaft verbindlich in den weiteren Planungen zu berücksichtigen?
5.2.
Falls ja, welche Überlegungen wären Ihrer Auffassung nach hierfür besonders geeignet und sollten näher untersucht werden? Wie kann dies dann den weiteren Planungsüberlegungen zugrundegelegt werden?
5.3.
Haben Sie bei der Verabschiedung des Bebauungsplans Vai 252 Interesse an einer Auswahlentscheidung unter verschiedenen Varianten?
5.4.
Wie wichtig ist Ihnen bei diesem ortszentrumsnahen Vorhaben eine breite Bürgerbeteiligung? Wie sollte diese aus Ihrer Sicht organisiert werden?

6.) Nach wie vor sprechen zahlreiche gewichtige Argumente gegen eine Verlegung des ZOB als FOB nach Vaihingen. Die überwältigende Mehrheit der Vaihinger Bürgerinnen und Bürger würde es daher sehr begrüßen, wenn der Gemeinderat seine Entscheidung hierüber noch einmal überdenken und korrigieren würde. Auch wenn dies nicht geschieht, haben alle Vaihinger Bürgerinnen und Bürger, auch die Gegner einer Verlagerung des ZOB/FOB nach Vaihingen, ein Anrecht darauf, dass das neue Vorhaben so sozial- und umweltverträglich wie möglich in die vorhandene Siedlungsstruktur eingebettet wird.
Daher folgende Fragen im Zusammenhang mit der Umsetzung:
6.1.
Wie sieht es mit einem Verkehrslenkungskonzept aus? Fordern Sie vor weiteren konkretisierten Planungen ein solches? Was muss ein solches Verkehrskonzept aus Ihrer Sicht mindestens umfassen?
Würden Sie sich dem Antrag des Bezirksbeirats Vaihingen hierzu anschließen?
6.2 .
Wie soll der Nutzerkreis des FOB auf die Fernlinienbusse der Eurolines beschränkt werden, wie dies von Herrn OB Dr. Schuster am Rande der Einweihung der Sporthalle des Fanny Leicht Gymnasiums zugesagt wurde?
6.3.
Handelt es sich bei dem FOB aus Ihrer Sicht um eine Pflichtaufgabe der öffentlichen Hand? Falls ja, wie sieht dafür die Finanzierung aus? Falls nein, weshalb plant die Stadt Stuttgart dann einen solchen FOB?
6.4.
Das Stadtplanungsamt beabsichtigt, für die weitere Konkretisierung der Bebauungsplanung gemeinsam mit dem Eigentümer einen Investorenwettbewerb durchzuführen. Welchen Einfluss auf die Rahmenbedingungen haben nach Ihren Erfahrungen hierbei Stadtverwaltung, Gemeinderat, Bezirksbeirat und Bürger; wie können sie ihn geltend machen?

Werden die Rahmenbedingungen transparent und nachvollziehbar im öffentlichen Raum diskutiert oder wie bisher hinter verschlossenen Türen?
6.5.
Werden Sie eine Umweltverträglichkeitsprüfung fordern, die alle geplanten - und miteinander eng zusammenhängenden - Vorhaben in diesem Gebiet einbezieht, also beispielsweise alle neuen Nutzungen auf den 2,5 ha Fläche und den erforderlichen Ausbau der Nord-Süd Straße sowie die noch nicht näher spezifizierten Busabstellplätze?

7.) Da, wie in den Planunterlagen erläutert, die Verlegung des ZOB/FOB und die damit einhergehenden Bauleitplanverfahren (Änderung Nr. 44 des FNP 2010 sowie Aufstellung des Bebauungsplans Vai 252) ja eine Folge von Stuttgart 21 sind, gehen wir davon aus, daß auch diese Planung unter den Vorbehalt der Umsetzung dieses Großprojekts gestellt wird.
7.1
Oder gehen Sie davon aus, dass der Umzug des ZOB/FOB nach Vaihingen unabhängig von der Umsetzung von Stuttgart 21 erfolgen soll?
Wie wird andernfalls die Abhängigkeit der beiden Projekte zueinander sichergestellt?
8.) Zahlreiche Sachkundige (z.B. IHK, mittelständige ortsansässige Busunternehmer, City-Initiative) vermissen eine Planung für Stuttgart anfahrende Touristenbusse (über 40.000 jährlich) und für den Stuttgart verlassenden Busgelegenheitsverkehr (ca. 7.500 Busse jährlich mit ca. 250.000 Fahrgästen aus der Region).
8.1.
Halten Sie Planungen für diese Busverkehre für überflüssig, weil die aktuelle Stuttgarter Lösung gut und angemessen ist?

Als IgFOB sind wir sehr an einem transparenten und bürgernahen Dialog interessiert. Wir werden daher auf unserer Internetplattform diese Fragen und auch Ihre eingehenden Antworten einstellen. Die Vaihinger Bürgerschaft und breite Öffentlichkeit kann sich so ein umfassendes Bild über den aktuellen Informations- und Diskussionsstand machen.
Besten Dank für die Beantwortung der sich gegenwärtig aufdrängenden Fragen. Wir sind sehr an einem weiteren Meinungs- und Inforamtionsaustausch interessiert. Gerne sind Sie zu einem Informationsgespräch eingeladen.
Mit freundlichen Grüßen
(für die IgFOB)
nachrichtlich: Presse