Warum flieht ein Mensch?

Als Diskussionsbeitrag zur Flüchtlingssituation stellen wir hier den Leserbrief von Sascha, der in der VorOrt Vaihingen aus dem Dezember 2015 veröffentlicht wurde online.

Wie die Flüchtlinge von den Menschen in Deutschland, Österreich und anderswo aufgenommen wurden und hoffentlich weilhin aufgenommen werden, ist großartig. Aber dies kann nicht die Ursachen von Flucht vergessen machen und die Auseinandersetzung mit diesen Ursachen verhindern. Verantwortlich dafür, dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen, ist die Politik der westlichen Industriestaaten. Eine Politik der Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen mit allen Mitteln.

An erster Stelle sind hier zu nennen die Waffenlieferungen in alle Welt, die Ausbeutung von Schwellenländern (wertvolle Rohstoffe, billige Arbeitskräfte) und die Zerstörung lokaler Märkte z.B. durch Exporte von billigem Hähnchenfleisch nach Afrika.
Der Hunger der Industrienationen nach Rohstoffen und geostrategische Interessen, die sich z.B. unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe (von Brunnenbau und Frauenbefreiung) direkt oder indirekt offenbaren, spielen eine zentrale Rolle. Nicht vergessen werden darf dazu noch die Ausbeutung der Menschen in diesen Ländern, die für Hungerlöhne unter Einsatz von Gesundheit und Leben für die Konzerne der Industrienationen schuften. Diese
wirtschaftlichen Interessen werden wie selbstverständlich mit militärischen Mitteln in und gegen andere Staaten durchgesetzt.

Wir müssen uns klar machen, dass wir alle davon profitieren. Unser Wohlstand basiert zu einem beträchtlichen Teil darauf. So richtig voll machen sich die
Taschen aber die richtig mächtigen Großkonzerne. Die Lasten der Flüchtlingsströme aber trägt wieder die Allgemeinheit. Es ist gut, dass wir die Flüchtlinge hier Willkommen heißen und es ihnen nach allem was sie erlebt haben, so einfach wie möglich machen. Aber gleichzeitig sollten wir stets fragen warum wir uns gefallen lassen, dass in praktisch allen Bereichen die Großkonzerne Profite auf Kosten der normalen Menschen hier, in Syrien und fast überall auf der Welt machen, die Kosten und Lasten, aber fast ausschließliche von der Allgemeinheit getragen werden müssen.
Mit ihren Kriegen, ihren Waffen und der Zerstörung der lokalen Wirtschaften, die wir zulassen, haben wir also direkt die Flüchtlingsströme zu verantworten.

Es ist die Aufgabe von uns allen, jedem entgegenzutreten, der nur die Wirkung (die Flüchtlinge) betrachtet und die Ursachen vergisst. Diese Sichtweise finden wir bei Faschisten, Neofaschisten und Rechtspopulisten bis hin zu vertretern von CDU/CSU und der sog. bürgerlichen Mitte. Ursache
sind die Politik und das Handeln der Weltmacht USA, sowie der EU, in der Deutschland eine führende Rolle spielt.

Erste Stimmen sind nun zu vernehmen, die die Flüchtlinge als Lösung unseres demographischen Problems nennen. So titelt die Stuttgarter-Zeitung am 6. September „Daimler-Chef will Flüchtlingen Chance geben“ und zitiert Zetsche mit „Genau solche Leute suchen wir doch.“ Die zunächst legitim erscheinende Lösung birgt dabei eine neue Ungerechtigkeit und Sprengkraft
in sich. Sind es doch gut ausgebildete Fachkräfte, Ärzte, Lehrer,
Wissenschaftler und andere, die später fehlen werden, um ihre zerstörte Heimat wieder aufzubauen. Stattdessen entsteht dort eine neue Generation der Zurückgelassenen und Chancenlosen. Wer wundert sich da noch über Al Quaida und IS?

Natürlich müssen wir nun die Flüchtlinge aufnehmen. Auch wenn die Zahlen und Kosten weiter steigen. Tatsächlich wird mit 800.000 neuen Flüchtlingen die in Deutschland Asyl suchen gerechnet. Dies sind lediglich vier Prozent der weltweit etwa 20 Millionen auf der Flucht befindlichen Menschen. Deutschland aber ist eines der reichsten Länder der Welt. Auch wenn die reichsten fünf Prozent über 50% des Gesamtvermögen besitzen. Ebenso wichtig ist aber ein sofortiger Exportstop von Waffen, die Investition in Bildung, der Stop von unfairem Handel und der Ausbeutung von Menschen. Zugleich müssen wir alles tun damit die Menschen vor Ort die Konflikte beilegen, damit die Flüchtlinge von heute schon bald wieder in ihre Heimat zurückkehren können und mit unserer echten solidarischen Unterstützung ohne wieder nur den westlichen Profiteuren nützenden wirtschaftlichen Nebengedanken, ihre Heimat wieder aufzubauen.

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